360-Grad-Feedback: Geschichte

Militärischer Ursprung Geschichte und Ursprung des 360-Grad-Feedbacks

Reichswehr

Ein Vorläufer des 360-Grad-Feedbacks wurde von Johann Baptist Rieffert entwickelt und seit etwa 1930 bei der Deutschen Reichswehr zur Auswahl von Offiziersanwärtern eingesetzt.

Das Team der Gutachter bestand meistens aus Offizieren, Psychiatern (Sanitätsoffizieren) und Hilfspsychologen. Als weitere Perspektive kam die Einschätzung durch die Kameraden hinzu. Diese erfolgte durch das so genannte Rundgespräch, das in heutigen Assessment Centern "Führerlose Gruppendiskussion" genannt wird.

Vorhersage der Bewährung "an der Front"

Dabei stellte sich heraus, dass die Meinung der Kameraden die „Bewährung an der Front“ wesentlich besser voraussagen konnte als die meisten anderen Methoden wie zum Beispiel Intelligenz- und Persönlichkeitstests oder psychologische Interviews.

Mit anderen Worten: Die Einschätzung durch Kameraden hatte die höchste Voraussagekraft (prognostische Validität) hinsichtlich der zukünftigen "Leistung".

"Assessment Center"

Ironischerweise wird in heutigen Assessment-Centern zur Auswahl von Führungskräften die Einschätzung von "Kameraden" oder Mitarbeitern trotz der nach wie vor hohen prognostischen Validität nicht erhoben.

Teamentwicklung für Offiziersanwärter

"Multi Source Feedback"

Nach Peter Hofstetter war das Verhalten beim Rundgespräch, dessen Leitung jeder Bewerber übernahm, nur eine Quelle der Verhaltensbewertung. Hinzu kam die Einschätzung durch leitende Offiziere und Psychologen, Persönlichkeitstests und „Outdoor-Trainings“, bei denen die Offiziersanwärter zum Beispiel eine Brücke über einen Fluss mit Hilfe eines Seils bauen sollten.

Dabei wurden unter anderem Geschicklichkeit, Körperbeherrschung, Ausdauer, Energie, Einsatzwillen, Einfallsreichtum und Gemeinschaftsverhalten beobachtet. Der Kandidat bekam also eine Einschätzung seiner Fähigkeiten, seines Charakters und seines Verhaltens aus verschiedenen Quellen. Das nennt man heute „Multi-Source Feedback“.

Einzug in Unternehmen

In den 1970er Jahren wurde das 360-Grad-Feedback in einigen großen Unternehmen in den Vereinigten Staaten eigesetzt und verbreitete sich sehr schnell. Zu den Vorläufern kann man die Arbeiten von Levinson aus dem Jahr 1976 („Upward Appraisal“) oder von Clark Wilson aus dem Jahr 1980 („Multi-Level Management Survey“ oder „Multi-Source-Feedback“) zählen. Seither erscheinen jährlich rund 100 Publikationen zu diesem Thema allein in wissenschaftlichen Fachzeitschriften.

Popularität durch General-Management-Programme

Zur Verbreitung hat auch der häufige Einsatz des 360-Grad-Feedbacks in General-Management-Programmen bedeutender Elite-Universitäten beigetragen. Inzwischen wird das 360-Grad-Feedback auch im medizinischen Bereich eingesetzt.

So kommt eine Studie der medizinischen Fakultät der Universität von Calgary und der Klinik von Bahrain zu dem Schluss: Multi Source Feedback „shows promising, feasible, reliable, and valid means of assessing surgeons across a broad range of competencies such as professionalism, leadership, interpersonal skills, collegiality, and communication skills“ (Journal of Surgical Education 2013).

Kostensenkung durch Computer-Technologie

Neue Impulse bekam das 360-Grad-Feedback durch die Möglichkeit, die gesamte Befragung online durchzuführen und die Ergebnisse automatisch auszuwerten. Dadurch sind die Kosten um ein Vielfaches gesunken und machen das 360-Grad-Feedback zum alltäglichen Instrument. Der Schwerpukt ist die Führungskräfteentwicklung.

Fazit: Qualität (Validität) zählt (wie bei allen Befragungen)

Zieht man ein Fazit der Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis der letzten 30 Jahre, kommt man zu dem Ergebnis, dass die Erfahrungen mit dem 360-Grad-Feedback überwiegend positiv sind, wenn bestimmte Grundsätze beachtet werden. Entscheidend für den Erfolg ist die Qualität (Validität, Reliabilität und Objektivität) des Fragebogens und des Kompetenzmodells. Diese Aspekte werden in den beiden Abschnitten erläutert, die sich mit dem Fragebogen befassen.