Beim 360-Grad-Feedback (auch 360°-Feedback oder 360-Grad-Beurteilung genannt) werden Kompetenzen (ergebnisrelevante Verhaltensweisen) von Fach- und Führungskräften aus mehreren Blickwinkeln beurteilt. Dazu gehören Mitarbeiter, Vorgesetzte, Kollegen, Teammitglieder oder Kunden (Fremdbild). Hinzu kommt die Selbsteinschätzung (Selbstbild). Zweck ist die Verbesserung des Arbeitsklimas und der Leistungsfähigkeit einer Organisation (effiziente und effektive Umsetzung von Zielen).
Abbildung 1: Definition: 360 Grad Feedback und traditionelles Feedback im Vergleich
Unternehmen unterscheiden sich gewaltig im Hinblick auf ihr Arbeitsklima und ihre Leistungsfähigkeit. Beides wird ganz wesentlich vom Verhalten der Führungskräfte wegen ihrer (positiven wie negativen) Vorbildfunktion geprägt. Zahlreiche empirische Studien haben gezeigt, dass Unternehmen mit positivem Arbeitsklima Wachstumsraten und Renditen erzielen, die um den Faktor drei bis vier höher sind als bei Konkurrenten mit einer negativen Unternehmenskultur.
Ein wesentlicher Zweck (und Nutzen) eines 360-Grad-Feedbacks ist es, das Verhalten der Führungskräfte einer Organisation zuverlässig zu diagnostizieren, um anschließend Verbesserungen einzuleiten. Es geht also um die praktische Umsetzung von Führungsleitlinien wie zum Beispiel Kundenorientierung, Verantwortungsbewusstsein, Lernfähigkeit, Ergebnisorientierung, Fairness und Vertrauen. Das funktioniert nur, wenn derartige Leitlinien mit einem validen Fragebogen operationalisiert und objektiv "messbar" gemacht werden.
Das 360-Grad-Feedback legt den Schwerpunkt auf einfacher und schneller erlernbares und veränderbares Kommunikations-, Führungs- und Teamverhalten. Dagegen sind Persönlichkeitsmerkmale (Charaktereigenschaften) und tief verwurzelte Gewohnheiten und Wertvorstellungen nur schwer veränderbar. Das ist der Fokus der 360-Grad-Beurteilung.
Es geht also in erster Linie um längerfristige Auswahlentscheidungen (Personalstrategie). Es kann für beide Seiten (Unternehmen und Führungskraft) sehr frustrierend sein, wenn bestimmte Stellen mit nicht geeigneten Personen besetzt werden. Weitere Einzelheiten dazu finden Sie unter dem Link: 360-Grad-Beurteilung.
Eine Übersicht über die wichtigsten Persönlichkeitsmerkmale, Wertvorstellungen und Kompetenzen finden Sie in dem White Paper Stärken und Schwächen Liste.
Abbildung 2: Auszug aus einem Auswertungsbericht zum 360-Grad-Feedback
Wie bereits im vorherigen Abschnitt erwähnt, muss die Erfolgskontrolle nachweisen, dass der Feedback-Prozess zu einer Verbesserung der Kennzahlen (KPI) im Verantwortungsbereich der Führungskraft beigetragen hat (siehe Abbildung 4 weiter unten). Ansonsten macht dieses Instrument wenig Sinn.
Die Auswertungsberichte müssen erläutert, in den persönlichen Entwicklungsplan integriert und mit dem disziplinarischen Vorgesetzten des Feedback-Nehmers abgestimmt werden. Darauf folgen Zielvereinbarungen über Verhaltensziele, die für die Umsetzung von Zielen notwendig sind.
Der Fragebogen muss zur Unternehmens- und Führungskultur und zum dortigen Sprachgebrauch passen. Beispielsweise ist der Begriff "Veränderung" in einigen Organisationen völlig negativ besetzt. Die Antworten sind entsprechend nutzlos.
Wenn einzelne Führungskräfte oder die gesamte Führungsmannschaft bei einer Kompetenz, zum Beispiel Teamfähigkeit oder Konfliktmanagement die Bewertung 3,8 auf einer Skala von 1 bis 5 erhalten, stellt sich die Frage nach der Aussagekraft.
Dazu ist eine Normierungsstichprobe notwendig, die nur ein validierter Fragebogen liefern kann.
Ein Beispiel sind (männliche oder weibliche) Führungskräfte einer bestimmten Altersgruppe mit mindestens 5 Jahren Führungserfahrung und einer technologischen Ausbildung, die in Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern beschäftigt sind.
Beispiele für Vergleichsdaten aus Validierungs-Studien finden sie unter den folgenden Links:
Grundsätzlich gilt: Für die Aussagekraft und den praktischen Nutzen gelten die gleichen Kriterien wie für jede andere Befragung: Qualität (Validität und Reliabilität) des Fragebogens. Hinzu kommt die Normierung (mit einer passenden Vergleichsstichprobe). Siehe dazu die Seite zur Qualität des Fragebogens.
Neben der Validierung kommt es beim Fragebogen darauf an, dass er veränderbares oder relativ leicht erlernbares Verhalten „misst“. Gar nicht oder nur schwer veränderbar oder erlernbar (im Vergleich zu Kompetenzen) sind Persönlichkeitsmerkmale wie zum Beispiel Ehrgeiz, Intelligenz oder Begeisterungsfähigkeit.
Beispiel: Eine Führungskraft mit Neigung zum Narzissmus wird ihr Verhalten wohl kaum durch ein Seminar oder ein Coaching verändern. Solche Menschen haben oft einen gravierenden (negativen) Einfluss auf das Arbeitsklima und die Leistung von Mitarbeitern. Schon der Volksmund sagt, man werde aus einem Ackergaul kein Rennpferd machen (und umgekehrt).
Eine Beurteilung der Persönlichkeit erfordert einen besonderen Fragebogen und spezielle Interview-Techniken. Beispiele für problematische Persönlichkeitsmerkmale finden Sie in unserem Persönlichkeitstest (Gießener Inventar der Persönlichkeit).
Folglich muss man ein "Rennpferd" mit andeen Maßstäben messen als einen "Ackergaul"; ansonsten erzeugt man Frust. Weitere Informationen dazu finden Sie unter 360-Grad-Beurteilung von Führungskräften.
Eine Faustregel besagt, dass erfolgreiche Führungskräfteentwicklung zu 80 Prozent ein Auswahlproblem ist. Bei der Auswahl von Potenzialträgern kommen Persönlichkeitsmerkmale oder grundlegende Antriebe und Werte hinzu. Sie sind nur schwer oder gar nicht erlernbar oder veränderbar.
Führungskräfte werden letztendlich am wirtschaftlichen Erfolg und den entsprechenden Kennzahlen gemessen. Diese unterscheiden sich je nach Verantwortungsebene und Funktion. Daher muss der persönliche Entwicklungsplan entsprechende Prioritäten bei der Auswahl der Kompetenzen setzen.
Das 360-Grad-Feedback wird häufig in General-Management-Programmen renommierter Unternehmen und Universitäten wie zum Beispiel Harvard, Stanford, MIT oder UCLA eingesetzt. Es ist neben Unternehmens- und Führungsplanspielen eines der beliebtesten Instrumente in MBA-Programmen.
Die nachfolgende Grafik fasst die genannten Aspekte zusammen:
Abbildung 3: Erfolgsfaktoren des 360-Grad-Feedbacks (Tipps) - oder was man tun muss,
damit das 360-Grad-Feedback sich lohnt
Die Geschäftsführung ist für den langfristigen (wirtschaftlichen) Erfolg des Unternehmens verantwortlich. Diese Verantwortung wird auf die nachfolgenden organisatorischen Einheiten und deren Führungskräfte delegiert. Alle müssen nachweisen, dass sie in der Lage sind, die gemeinsamen Ziele mit gegebenen Mitteln in (messbare) Resultate umzusetzen. Diesem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit muss auch ein 360-Grad-Feedback folgen. Es muss nachweisen, dass die Führungs- und Managementkompetenzen "richtig" ausgewählt, valide diagnostiziert und effizient entwickelt werden.
Eine bewährte Methode dazu (Best Practice) ist der Persönliche Entwicklungsplan für den Verantwortungsbereich jeder Führungskraft. Diesen sollte sie mit ihrem Disziplinarischen vorgesetzten im Rahmen der Zielvereinbarung besprechen. Die Ziele wiederum stammen aus dem Businessplan.
Die nachfolgende Grafik zeigt einen kurzen Einblick in diesen Prozess, der sich seit vielen Jahren bewährt hat (eine ausführlichere Version finden Sie unter dem Link (Persönlicher Entwicklungsplan und Businessplan).
Mit anderen Worten: Der wichtigste Erfolgsfaktor ist die Umsetzung von Zielen in Ergebnisse. Das 360-Grad-Feedback ist ein bewährtes Instrument dazu. Sobald eine produktive Feedback-Kultur entstanden ist, kann man auf dieses Instrument verzichten.
Abbildung 4: Führungskompetenzen und Leistung mit dem 360-Grad-Feedback verbessern
(Auszug aus einem Persönlichen Entwicklungsplan)
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